Gnade

Was ist Gnade?

Wer ein Lexikon aufschlägt und nach dem Begriff Gnade sucht, der findet unterschiedliche Definitionen und Auslegungen dieses Wortes, das sich eigentlich sogar als Konzept verstehen lässt. So bezeichnet die Gnade unter anderem die Gunst eines (sozial oder gesellschaftlich) höhergestellten Menschen einer Person gegenüber die einen (sozial- oder gesellschaftlich-) niedrigeren Rang hat. Der Begriff Gnade bezeichnet aber auch den Strafnachlass: Wer einer Person eine verdiente Strafe erlässt und von Konsequenzen absieht, der wird als gnädig angesehen. Die Schuld des Sträflings ist dadurch nicht ungeschehen, dennoch erleidet die Person keine Konsequenzen. Wenn jemand um Gnade bittet, hofft er oder sie also darauf, dass das Gegenüber mit ihr oder ihm anders verfährt, als es eigentlich verdient wäre. Schlussendlich gibt es dann noch die göttliche Gnade, die eigentlich als Vorbild für das Konzept der Gnade steht, wie wir sie heute in unserem Sprachgebrauch verwenden, denn in der Bibel lesen wir an vielen verschiedenen Stellen von der Gnade Gottes.

Gott und die Gnade

Der Gott, an den Christen und Christinnen glauben, wird häufig als gnädiger Gott bezeichnet. Einer der Haupt-Gnaden-Akte Gottes, über die wir in der Bibel lesen können, ist die Geburt Jesu Christi, denn dadurch, dass Jesus unter den Menschen lebte und schlussendlich am Kreuz zu Golgatha starb, machte Gott den Weg für die Menschen frei und vergab ihnen ihre Sünden. Jesus musste also am Kreuz sterben und Leid ertragen, damit der Mensch nicht mehr Buße für seine Sünden tun muss. Menschen werden generell als Sünder angesehen, wie wir in der Bibel nachlesen können: „Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.“ (Römer 3,23-24, Lutherübersetzung). Wieso Menschen überhaupt als Sünder gelten und von Gott getrennt lebten, lässt sich im ersten Buch Mose nachlesen, denn dort wird von Adam und Eva erzählt, die im Paradies in einer engen Gemeinschaft mit Gott lebten. Dadurch jedoch, dass Adam und Eva die Frucht des Baumes der Erkenntnis aßen und so gegen Gott rebellierten, wurde der Mensch Sünder und war von Gott getrennt. 

Dass Gott den Christen ihre Sünden, durch den Tod seines eigenen Sohnes, vergibt, kann demnach ausschließlich als Akt der Gnade verstanden werden. Dabei kann die Gnade Gottes nicht durch Fleißkärtchen oder gute Taten gewonnen werden – sie ist ein Geschenk, das Gott den Menschen macht: „Deshalb muss die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen, damit sie aus Gnaden sei und die Verheißung festbleibe für alle Nachkommen, nicht allein für die, die aus dem Gesetzt leben, sondern auch für die, die aus Abrahams Glauben leben […].“ (Römer 4,16, Lutherübersetzung). Menschen haben die Möglichkeit Gebote einzuhalten, Buße zu tun und Sünde zu vermeiden, durch den Sündenfall jedoch, also dadurch, dass Adam und Eva die verbotene Frucht aßen, werden Menschen bereits als Sünder geboren. Sie können schlussendlich nur die Gnade Gottes annehmen und dadurch das ewige Leben erhalten. 

 Was ist die Rechtfertigungslehre?

Die sogenannte Rechtfertigungslehre steht in starker Verbindung zur Gnade Gottes. So sagt diese Lehre aus, dass alle Menschen niemals dem Anspruch gerecht werden kann, den Gott an sie stellt. So war es die Ansicht der Reformatoren, dass das Vertrauen auf und der Glaube an Gott wichtiger sei als eine große Anzahl von guten Taten oder ein genaues Leben nach den Regeln, die wir in der Bibel finden. Der Begriff Sola gratia bedeutet übersetzt „allein aus Gnade“ und deutet auf die Tatsache hin, dass die Gnade Gottes ein Geschenk an den Menschen ist. So schreibt Martin Luther in seinem kleinen Katechismus: […] aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit ohn‘ all mein Verdienst und Würdigkeit.“. 

Wer sich das Konzept der Gnade genauer angesehen hat, der fragt sich nun vielleicht: „Ist es jetzt eigentlich egal, ob ich mich an die zehn Gebote halte oder sündige? Gott ist ja sowieso gnädig und vergibt mir alle Sünden, wenn ich nur lieb nachfrage, oder?“. Ganz so einfach ist es nicht, denn wer Gnade erhalten möchte, kann sich diese zwar nicht verdienen, aber dennoch für sie leben: „Denn wenn wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, bleibt hinfort kein Opfer mehr für die Sünden, sondern ein schreckliches Warten auf das Gericht und ein wütendes Feuer, das die Widersacher verzehren wird.“ (Hebräer 10,26-27, Lutherübersetzung). Wer sich also bewusst gegen Gott stellt und bewusst sündigt, der darf auch nicht auf die Gnade Gottes hoffen. Gott jedoch bietet jedem Menschen die Errettung an und dies nicht nur einmal, somit gibt es keine Sünden, die Gott nicht vergeben kann, wenn der Mensch aufrichtig darum bittet.